Kreuzbandriss beim Hund: Ursachen, Diagnose, Therapie und Prognose

Anders als beim Menschen, dessen Kreuzband meist durch kurze starke Belastungen, etwa bei einem Sportunfall, reißt, ist der Kreuzbandriss beim Hund in der Regel die Folge einer degenerativen Erkrankung. Häufiger ist das vordere der beiden Kreuzbänder betroffen, die normalerweise verhindern, dass sich Oberschenkelknochen und Schienbein (Tibia) unter Belastung gegeneinander verschieben. Ist das Kreuzband gerissen, lässt sich das sogenannte „Schubladenphänomen“ auslösen: Der Unterschenkel kann nach vorn verschoben werden.

Aber auch traumatische Ursachen (Unfall, falsche Bewegungen beim Spiel, Überbelastung), Übergewicht, Fehlstellungen der Gliedmaßen können sich negativ auf die Stabilität des Kreuzbandes auswirken. 

Es werden eine Vielzahl an chirurgischen OP-Methoden angeboten. Wir erklären kurz die bekanntesten OP-Methoden inkl. Vor- und Nachteile.

Übersicht

Grundsätzlich gilt: ein Kreuzbandriss beim Hund nicht zu operieren, ist die schlechteste Wahl, da hochgradige Arthrosen im Gelenk letztlich zu einer massiven Beeinträchtigung des Bewegungsablaufs führen. Aber auch die Operation ist nicht frei von möglichen Komplikationen und eine Garantie eines 100%-Erfolges gibt es wie in der Humanmedizin nicht. Jedoch sind die Aussichten einer Besserung und Schmerzfreiheit um ein Vielfaches höher, als nicht zu operieren.

Folgende OP-Methoden werden überwiegend empfohlen:

  • TTA (Tibial Tuberosity Advancement)
  • TTA Rapid
  • Extrakapsuläre und intrakapsuläre Stabilisation
  • TPLO (Tibial Plateau Leveling Osteotomy)
  • Kreuzband-Operation nach Meustege

TTA (Tibial Tuberosity Advancement)

Ziel der Operation ist es, die Biomechanik des Kniegelenks so zu verändern, dass die Schubladenbewe-gung (das Vorwärtsgleiten des Unterschenkels gegenüber dem Oberschenkel) auch ohne ein intaktes Kreuzband verhindert wird. Dazu wird ein kleiner Teil des Schienbeins (die sogenannte Tibia) abgesägt, wo die Kniesehne ansetzt. Dieser Teil wird nach vorne versetzt (vorverlagert) und mit einer speziellen Titanplatte fixiert. Zusätzlich wird ein Abstandshalter (Spacer) eingesetzt, um den gewünschten Winkel zu erreichen. Nach der Operation halten die Titanimplantate den Knochen in der neuen Position, bis er verheilt ist. So kann der Hund sein Knie wieder normal belasten.

Vorteile:

  • Biomechanische Stabilität: Durch die Veränderung der Gelenkkräfte kann das Kniegelenk auch ohne intaktes Kreuzband stabilisiert werden.
  • Weniger Invasiv: Im Vergleich zu TPLO ist die TTA weniger invasiv, da kein großflächiges Zersägen der Tibia erfolgt.
  • Geringeres Arthrose Risiko: Studien zeigen, dass Hunde nach einer erfolgreichen TTA langfristig ein geringeres Risiko für die Entwicklung schwerer Arthrose haben.
  • Schnellere Genesung: Viele Hunde zeigen bereits innerhalb von Wochen nach der Operation deutliche Verbesserungen ihrer Beweglichkeit.
  • Breites Anwendungsspektrum: Geeignet für Hunde verschiedener Größen und Aktivitätslevel, insbesondere mittelgroße bis große Hunde.
  • Hohe Erfolgsquote: Über 90 % der Hunde kehren zu ihrer normalen Aktivität zurück, einschließlich sportlicher Belastung.

Nachteile:

 

 

  • Eingeschränkte Anwendbarkeit: Die TTA ist möglicherweise nicht für alle Hunde geeignet, insbesondere bei bestimmten anatomischen Gegebenheiten oder schweren Fehlstellungen.
  • Risiko von Komplikationen: Wie bei jeder Operation können Komplikationen auftreten, einschließlich Infektionen, Implantatversagen oder unzureichender Knochenheilung.
  • Kostenintensiv: im Vergleich zu anderen OP-Methoden (außer TPLO) kostenintensiver.
  • Infektionsgefahr: Bei Infektionen muss das Implantat entfernt werden, welches zu einer komplizierten neuen Ausgangslage der Gelenkproblematik führt.

TTA Rapid

Diese Methode ist eine Abänderung der Standard-TTA, bei der weniger Implantate eingesetzt werden. Ziel ist es, den operativen Eingriff zu vereinfachen und die Heilungszeit zu verkürzen.

Vorteile:

  • Kürzere Operationszeit: dies gilt im Vergleich zur Standard-TTA.
  • Einfacheres chirurgisches Verfahren:, “Rapid“ steht für „Schnell“. Der Ablauf und die Technik der Operation ist vereinfacht.

Nachteile:

  • Materialversagen: Die in der TTA Rapid verwendeten Implantate sind nicht immer ausreichend stabil, insbesondere bei sehr großen oder aktiven Hunden. Es kann zu Brüchen oder Lockerungen kommen.
  • Geringere Flexibiltät: Die TTA Rapid bietet weniger Anpassungsmöglichkeiten während der Operation, da das Verfahren stark standardisiert ist. Dies kann insbesondere bei Hunden mit ungewöhnlicher Anatomie oder komplexeren Knieproblemen problematisch sein.
  • Erhöhtes Risiko für Arthrose: Bei suboptimaler Ausführung kann es zu biomechanischen Ungenauigkeiten kommen, die langfristig das Risiko für Arthrose im betroffenen Gelenk erhöhen.
  • Fixierungsprobleme: Die Fixierung der Implantate in der Tibia kann bei dünnen oder schwachen Tibiawänden schwierig sein, was das Risiko von postoperativen Instabilitäten erhöht.
  • Langzeitdaten fehlen: Da die TTA Rapid eine relativ neue Technik ist und sich bisher nicht bewährt hat, fehlen umfassende Langzeitstudien, die die Haltbarkeit und Langzeitergebnisse im Vergleich zur klassischen TTA oder TPLO klar belegen.
  • Komplikationnen bei Heilung: Die Standardisierung der Methode führt in einigen Fällen zu unzureichendem Knochenwachstum um die Implantate herum, was die Stabilität beeinträchtigen kann.

TPLO (Tibial Plateau Leveling Osteotomy)

Das Schienbein (Tibia) hat eine schräge Gelenkfläche (Tibiaplateau). Diese Neigung verursacht das Weg-rutschen des Oberschenkelknochens. Die TPLO verändert diese Neigung und macht das Gelenk stabil, auch ohne Kreuzband. Im Gegensatz zur TTA wird hier der Schienbeinknochen (Tibia) komplett zersägt und die Gelenkfläche so rotiert, dass das Kreuzband überflüssig wird.

Vorteile:

  • Breite Anwendbarkeit: Die TPLO kann bei Hunden aller Größen eingesetzt werden, auch bei großen, aktiven Hunden..
  • Hohe Erfolgsrate wie bei der TTA: In den meisten Fällen kommt es nach der Rekonvaleszenz zu einer deutlichen Verbesserung sogar zu einem völligen Abklingen.

Nachteile: 

  • Invasivster Eingriff: Die TPLO erfordert das komplette Durchtrennen des Schienbeinknochens, deren Heilungszeit verlängert ist und zu einem erhöhten Risiko für Komplikationen führen kann.
  • Risiko von Komplikationen: Wie bei jeder Operation können Komplikationen auftreten, einschließlich Infektionen, Implantatversagen oder unzu-reichender Knochenheilung.
  • Kostenintensiv: sehr kostenintensive Operationsmethode und auch im Vergleich zur TTA etwas teurer.
  • Bei Infektionen muss das Implantat entfernt werden: dies führt zu einer deutlich komplizierten neuen Ausgangslage der Gelenkproblemati, als bei einer TTA.

Extrakapsuläre und intrakapsuläre Stabilisation

Diese Technik stabilisiert das Kniegelenk durch die Platzierung von künstlichen oder körpereigenen Bän-dern außerhalb des Gelenks.
Es wird im Gegensatz zur TTA und TPLO das Kniegelenk eröffnet und der gerissene Teil des Kreuz-bands wird entfernt, um weitere Schäden oder Entzündungen zu verhindern. Ein künstliches Band wird außerhalb (extrakapsulär) oder innerhalb (intrakapsulär) der Gelenkkapsel angebracht. Letzteres ist die neuartige ZLIG-Technik. Dieses Band besteht in der Regel aus starkem, nicht resorbierbarem Material wie Nylonfaden. Das Material wird so plaziert, dass es den Verlauf und die Funktion des natürlichen Kreuz-bands nachahmt. Dabei wird das Band durch strategische Punkte um das Knie geführt. Anschließend wird das Band an stabilen Punkten am Oberschenkelknochen (Femur) oder Schienbeinknochen fixiert. Das Band wird so gespannt, dass das Knie stabil bleibt, aber die natürliche Bewegung erhalten bleibt.

Vorteile:

  • Weniger Invasiv: sie ist weniger invasiv als TTA oder TPLO.
  • Kostengünstiger: sie ist kostengünstiger als TTA oder TPLO.

Nachteile:


  • eingeschränkter Einsatzbereich: Eher nur geeignet für kleine, mittelgroße oder ältere Hunde mit geringer Aktivität. Bei großen oder sehr aktiven Hunden kann die Stabilisation unzureichend sein.
  • Arhroserisiko: Langfristig besteht ein erhöhtes Risiko für Arthrose im Kniegelenk
  • fehlende Langzeitergebnisse: Die Kreuzbandersatztechnik nach ZLIG verfügt noch über keine Langzeitergebnisse.

Kreuzband-Operation nach Meustege

Dies ist eine Operationsmethode, die sich durch den Verzicht auf Implantate und künstliche Bandersatztechniken auszeichnet. Sie stellt eine interessante Alternative zu invasiven Verfahren wie der TPLO oder TTA dar, insbesondere bei sehr kleinen Hunden oder komplizierten orthopädischen Fällen bei größeren Rassen.
Es wird im Gegensatz zur TTA und TPLO das Kniegelenk eröffnet und der gerissene Teil des Kreuz-bands wird entfernt, um weitere Schäden oder Entzündungen zu verhindern. Dann folgt eine spezielle Kapsel- und Faszienraffung des Kniegelenkes, die die Funktion des ehemaligen Kreuzbands übernimmt.

Vorteile:

  • Einfache Technik: Diese Methode erfordert keine aufwändigen chirurgischen Eingriffe wie das Durchtrennen oder Verändern von Knochenteilen.
  • Verzicht auf Implantate: Es werden keine Implantate wie Schrauben, Platten oder Käfige benötigt, was das Risiko von Implantatversagen, oder Abstoßungsreaktionen eliminiert.
  • Geringere Komplikationsrate: Die Methode hat im Vergleich zu invasiven Verfahren eine deutlich geringere Rate an postoperativen Komplikationen wie Wundinfektionen, Knochenschäden oder biomechanischen Fehlfunktionen.
  • Natürliche Heilung: Die Methode fördert die natürliche Konsolidierung und Stabilisierung des Kniegelenks. Sie trägt dazu bei, dass die um-liegenden Gewebe, wie Muskeln und Bänder, die Stabilität des Gelenks übernehmen können.

Nachteile:


  • Längere Rehabilitation: Der Heilungsprozess kann länger dauern, da die Stabilität des Kniegelenks auf natürliche Weise wiederhergestellt werden muss.
  • Nicht für alle Hunde geeignet: Die Methode ist nicht ideal für aktive oder sportlich geforderte Hunde, da sie weniger biomechanische Korrekturen ermöglicht als Verfahren wie TTA oder TPLO. Aktive Hunde benötigen möglicherweise eine intensivere und länger andauernde Nachsorge inkl. Physiotherapie.
  • Keine sofortige Stabilität: Im Gegensatz zu Verfahren wie TTA oder TPLO, die sofort biomechanische Stabilität bieten, benötigt das Kniegelenk bei dieser Methode Zeit, um sich anzupassen und zu stabilisieren.
  • Kleinerer Einsatzbereich: Bei komplexen anatomischen Fehlstellungen oder starken Schädigungen des Gelenks stößt diese Technik an ihre Grenzen.
  • Restlahmheit: Im Gegensatz zur TPLO und TTA sind die Langezeiterfolge je nach Aktivität und Größe des Hundes schlechter, es können Schmerzen und Lahmheit zurückbleiben. Die Arthrosegefahr ist höher.

Erfolgsaussichten und Vergleich

Die Tibial Tuberosity Advancement (TTA) und die Tibial Plateau Leveling Osteotomy (TPLO) sind etablierte chirurgische Verfahren zur Behandlung von Kreuzbandrissen beim Hund. Beide Methoden zielen darauf ab, die Biomechanik des Kniegelenks so zu verändern, dass das vordere Kreuzband nicht mehr benötigt wird.
Beide haben eine hohe Erfolgsquote von mindestens 90 %. Bei der TTA kehren die meisten Hunde schnell zu ihrer normalen Aktivität zurück, einschließlich sportlicher Belastung. Die TTA gilt als minimal-invasiv gegenüber der TPLO. Bei manchen anatomischen Gegebenheiten des Kniegelenkes hat die TTA ihre Grenzen. Sie hat jedoch ein geringradig niedrigeres Risiko für postoperative Komplikationen.
Die Kreuzband-Operation nach Meustege ist die kostengünstigste und minimlainvasivste Operation von Allen. Sie hat aber nicht eine solch hohe Erfolgsrate, wie die anderen Techniken und ist für aktive und/oder große Hunde nicht so empfehlenswert. Sie gilt aber trotzdem als Option für Hunde, bei denen invasive Techniken wie TTA oder TPLO zu risikoreich sind.
Die Wahl der geeigneten Methode sollte individuell unter Berücksichtigung der Anatomie, Größe, Gewicht und Aktivität des Hundes sowie der Erfahrung des Chirurgen getroffen werden. Wir beraten Sie ausführlich, um die beste Behandlungsoption für den jeweiligen Patienten zu bestimmen. Dabei beurteilen wir die Situation objektiv und scheuen auch nicht, Sie bei Bedarf zu einem spezialisierten Kollegen zu überweisen, wenn eine andere OP-Methode speziell für Ihren Hund sinnvoller ist.

In unserer Praxis werden folgende Techniken beim Kreuzbandriss des Hundes routinemäßig eingesetzt:

  • TTA
  • Kreuzband-Operation nach Meustege

Fallbeispiele:

Patient: Abilu

Tierart: Hund
Rasse: Deutscher Schäferhund
Alter: 7 Jahre
Geschlecht: Männlich

Vorbericht:

Humpelt seit Tagen mit seiner Hintergliedmaße rechts, hat dort eindeutig Schmerzen

Diagnostische Maßnahmen:

  • Klinische Untersuchung
  • Röntgenaufnahmen
  • Computertomographie

Diagnose:

Kreuzbandriss

Therapie:

Operation TTA

Prognose:

Die Prognose für Abilu ist sehr gut. Er hat schon am nächsten Tag nach der Operation das operierte Bein belastet. Nach 3 Monaten Leinenzwang durfte er sich wieder frei bewegen und spielen. Die vorhandenen Arthrosen im Kniegelenk, die schon vor der Operation bestanden, werden ihm vermutlich bis zum hohen Alter keine Probleme bereiten.